Die Geschichte des Westwall

Der Bau von befestigten Verteidigungslinien war keine Idee der Nazis. In ganz Europa fanden nach dem ersten Weltkrieg Bestrebungen statt, Landesgrenzen durch Bunkerlinien zu schützen. Die Mannerheim-Linie in Finnland, die Metaxas-Linie in Griechenland, die tschechische Benesch-Linie, welche die Maginotlinie als Vorbild hatte.

Nach dem ersten Weltkrieg fielen das Elsass und Lothringen an Frankreich, und somit auch die dort gelegenen deutschen Festungen. Im Vertrag von Versailles, der am 28. Juni 1919 von den Kriegsparteien unterzeichnet wurde, wurden die deutschen Gebiete westlich des Rheins sowie ein Streifen von 50 Kilometern östlich davon zur entmilitarisierten Zone erklärt und die modernen deutschen Festungen mussten zerstört werden, der Neubau von Festungsanlagen wurde verboten. Somit war Deutschland der Bau von Bunkern und das stationieren von Soldaten in der entmilitarisierten Zone verboten. Es dauerte aber nicht lange, bis Deutschland erste, zaghafte Versuche unternahm, seine Grenzen doch wieder durch die Anlage von Verteidigungsbauten zu schützen. Im Osten des Reiches wurde zwischen 1925 und 1930 der Festungsausbau vorangetrieben. Er wurde durch das Pariser Abkommen überwacht, welches am     31. Januar 1927 abgeschlossen wurde.

Ab 1933 setzten dann Bestrebungen ein, auch im Westen wieder Bunker zu errichten, um sich auch dort vor einem Angriff schützen zu können. Somit begann der Ausbau der Neckar-Enz Stellung (1934) und der Wetterau-Main-Tauber Stellung (1935),     welche einen Angriff durch die Rheinebene, vornehmlich Richtung Berlin, wenn nicht aufhalten, so doch verzögern und erschweren sollte. Forciert betrieben wurde der Ausbau ab 1935 unter dem neunen Reichskanzler und Oberbefehlshaber der Wehrmacht Adolf Hitler (ab 2. August 1934 im Amt). Bisher fand auch der Versailler Vertrag noch Beachtung und wurde eingehalten.

Am 23. Februar 1936 erhielt die Inspektion der Festungen (InFest) den Befehl, streng geheime Erkundungen in der entmilitarisierten Zone anzustellen und den  Verlauf einer Bunkerlinie zu erkunden. Wichtig ist hier zu erwähnen, dass das Saarland seit dem 1. März 1935  wieder zum deutschen Reich gehörte. Mit der Besetzung   der entmilitarisierten Zone durch deutschen Truppen am 7. März 1936 viel auch bald der Startschuss für den Bau des Westwall, der damals noch "Schutzwall im Westen" genannt wurde.

Das Pionierprogramm von 1936 bis 1938

Begonnen wurde mit dem Sperrausbau an den Saarübergängen im Saarland und dem Bau von Befestigungen  am Oberrhein. Der Befehl des Oberkommando des Heeres (OKH) erging am 12. März 1936 an die Inspektion der Westbefestigungen (InWest), also nur 5 Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die entmilitarisierte Zone. Die Festungspioniere entwickelten drei verschiedene Ausbauformen: den Festungsausbau, den Stellungsausbau und den Sperrausbau.

Der Festungsausbau sollte stärksten Angriffen auf unbestimmte Zeit standhalten. Geplant waren große Werke in Ausbaustufe A die zu Werkgruppen zusammengefasst werden sollten. Geplant waren sie an allen neuralgischen Punkten, an denen mit einem französischen Angriff gerechnet wurde. Als Einfallpforten zwischen Mosel und Rhein wurden 4 Punkte ausgemacht: die Moselpforte bei Trier, den Saar-Abschnitt zwischen dem Schwarzwälder Hochwald und Saarbrücken, die Bliespforte bei Zweibrücken und die Weißenburger Senke. Die Anlagen sollten mit Hohlgängen verbunden werden. So war für den Bereich Zweibrücken ein 29 Kilometer langer Hohlgang geplant, an den die Werke mit Nebenstollen angeschlossen werden sollten.  Die Werke wären Autonom gewesen, mit eigener Wasser- und Stromversorgung. Verwirklicht wurde diese Ausbauform nicht einmal ansatzweise so wie sie geplant war (einen Eindruck davon könne heute  die Werke der Maginotlinie geben, welche diesem Konzept sehr ähneln). Das Festungswerk Gerstfeldhöhe bei Pirmasens war als Werkgruppe geplant. Der Bau kam aber schon in einem frühen Stadium zum erliegen (nach der Besetzung Frankreichs). Heute beherbergt die Anlage ein Museum.

Der Stellungsausbau wurde mit Bunkern schwächerer Ausbaustärke geplant. Eine Vielzahl von Anlagen mit einer Tiefenstaffelung sollte sich mit Maschienengewehrfeuer gegenseitig decken können und sollten den Feldsoldaten als sichere Unterstände dienen. der Stellungsausbau sollte die Gebiete zwischen den Festungswerken ausfüllen

Der Sperrausbau, mit Anlagen in er schwächsten Ausbaustärke, sollte an wichtigen Straßen, Brücken und Übergängen den Vormarsch feindlicher Truppen verzögern.

Um die Arbeiten zu erleichtern, wurden die Regelbauten entwickelt. Die Bunker waren genormt und die Bauform und Ausstattung vorgegeben. Zum Einsatz sollten die Regelbauten sowohl am West- wie auch am Ostwall kommen.

Im Pionierprogramm erfolgte der Ausbau der Gebiete zwischen Basel am Rhein bis nach Irrel (Bitburg-Prüm). Als erste Stellung wurde 1936 der Ettlinger Riegel ausgebaut. Er sollte einen Vorstoß französischer Truppen durch die Weißenburger Senke über den Rhein in Richtung Kraichgau verhindern. Er verlief südlich von Karlsruhe vom Rhein aus in östliche Richtung bis zum Schwarzwald. Bis 1938 erfolgte dann der flächendeckende Ausbau zwischen Basel und Irrel. Am 9. März 1938 genehmigte Hitler den weiteren Ausbau der Westbefestigung, der schon seit 1937 geplant war.

Das Limes-Bauprogramm Mai bis September 1938

Der Name Limes sollte an den römischen Grenzwall erinnern. Es wurde der  Stellungsausbau von Irrel bis Brüggen an der Schwalm in Angriff genommen. Neben dem Ausbau der Anlagen an der Hauptkampflinie (HKL) und einer Staffelung der Bunkeranlagen mit einer Tiefe von bis zu 4 Kilometern, wurde auch mit dem Bau der Luftverteidigungszone West (LVZ-West) zwischen Jülich und Speyer begonnen. Am 9. Juni 1938 wurde Professor Dr.-Ing. Fritz Todt und seine Organisation Todt (OT) mit den Bauarbeiten am Westwall und der LVZ-West betraut. Die Planungen sahen vor, an der HKL 1800 Maschienengewehr-Schartenstände und 10000 Unterstände zu errichten. Im Rückwärtigen bereich der HKL waren in besonders gefährdeten Bereichen verbunkerte schwere Geschütze   vorgesehen (im Westwallmuseum Bad Bergzabern kann solch eine Geschützbatterie (Artilleriebunker) besichtigt werden). Für die LVZ-West wurden 60 Flak-Batterien gebaut. Ursprünglich waren die Bunker des, Limes-Programms in B1 geplant, am 26. Juli 1938 wurde sie aber von InFest auf B-neu erhöht. Mit der Zeit, die für den Bau der 12000 Bunker veranschlagt wurde, hatte sich das Regime verschätzt. Ende 1938 waren die meisten Anlagen zwar gebaut, aber an der Einrichtung mangelte es noch in vielen Fällen. Die Anlagen wären somit wohl nur begrenzt verteidigungsfähig gewesen.

Das Aachen-Saar Bauprogram

Wie bereits erwähnt, verlief der Westwall bisher hinter den Städten Saarbrücken und Aachen. Am 9. Oktober 1938 verkündete Hitler auf dem Gauparteitag der NSDAP in Saarbrücken, das die beiden Städte nun in den Westwall mit aufgenommen werden sollten. Schon am 16. Oktober 1938 erhielt  Dr. Todt den Befehl mit dem Ausbau zu beginnen. Für das Bauprogramm wurde neue Regelbauten entwickelt, da das Limes-Programm mit einer verwirrend großen Anzahl von Regelbautypen glänzte und die Arbeiten vereinfacht werden sollten.
Die Neuerungen der Regelbauten der 100er Serie (so genannt wegen ihrer Nummerierung von 101 bis 139) waren das der Bau nur noch in B neu und A ausgeführt werden durfte. Auch die Raumhöhe wuchs auf 2,10 Meter (B neu) und 2,50 Meter (A). Der angehängte Kampfraum bei den Planungen entfiel, die Kampfraume waren jetzt direkt in den Bunkern integriert. Es wurden konsequent Panzerplatten in den Scharten eingesetzt und die Bauten erhielten alle Vorrichtungen zur Beobachtung, entweder in Form von Beobachtungskuppeln (Infanteriebeobachtungskleinstglocke) oder Sehrohren.
Der Ausbaubefehl des HGruKdo 2 erging am 19. Januar 1939, nachdem die Planungen für die neuen Regelbautypen abgeschlossen war. Dem Ausbau bei Saarbrücken und Aachen wurde Priorität gegenüber dem Ausbau der Geldernstellung (bis Kleeve) und der Verstärkung der Limes-Stellungen eingeräumt. Als problematisch stellte sich recht bald die Herstellung der großen Mengen an Panzerungsteilen heraus. Sie verschlangen große Ressourcen der Stahlindustrie.
Aufgrund des Materialmangels erging am 20. Dezember 1939 der Befehl des OKH, den Ausbau der Westbefestigung auf ein Minimum zu reduzieren. Jedoch wurde der Bau am Westwall nicht ganz eingestellt, sondern es wurde neue Regelbauten entwickelt, die der Materialknappheit Rechnung trugen. Die Bauten der 500er Serie, auch Kriegsregelbauten genannt (Deutschland befand sich seit dem 1. September 1939 im Krieg mit Polen), zeichneten sich durch eine einfachere Bauform und geringere Materialanforderung aus. Es wurde an allen Ecken und Enden gespart, besonders an Panzerbauteilen. Ich habe selbst schon einen Regelbau 509 gesehen, bei dem auf den Einbau des zweiten Lüftungspanzers verzichtet wurde. Im Beton findet sich nur die Aufnahme für den Panzer.

Die Bauarbeiten im Jahre 1940

Obwohl England und Frankreich am 3. September 1939 Deutschland den Krieg erklärte, blieb es vorerst ruhig an der Westgrenze. Hieran zeigt sich, wie groß der Einfluss der Propaganda auf die Alliierten war. Obwohl der Zustand des Westwalls weit hinter den Verkündungen der Propagandisten zurück lag und seine Verteidigungsfähigkeit nur eingeschränkt bestand, blieb ein Angriff von französischer Seite her aus.
Die Ausbauarbeiten am Westwall gingen so auch im Jahre 1940 weiter. Im Mosel-Saar Dreieck wurde der Orscholzriegel vollendet und die Spichern-Stellung wurde gebaut. Der Bau der Spichern-Stellung auf den Spicherer Höhe bei Saarbrücken wurde erst möglich, als die französischen Truppen Anfang November 1939 diese räumten. Aufgrund der strategisch günstigen Position der Höhe wurde also auf französischem Gebiete mit dem Bau von Westwallbunkern begonnen. Der Befehl dazu erging am 11. Januar 1940.

Am 10. Mai 1940 begann der Krieg im Westen mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Belgien und Holland. Am 25. Juni 1940 trat der Waffenstillstand in Kraft und am 28. Juni 1940 erging der Befehl des OKH zur Einstellung der Bauarbeiten am Westwall. Nach Meinung der Führung hatte er seine Schuldigkeit getan, sollte aber erhalten bleiben. Noch im Bau befindliche Anlagen wurden fertig gestellt, allerdings wurden die Bunker von ihren beweglichen Teilen befreit. Die Einrichtung, Waffen und Optiken wurden in Pionierparks gelagert oder später auch an den Atlantikwall verbracht. Die Bunker selbst wurden verschlossen und Personen mit deren Wartung beauftragt. Nur die B-Werke blieben eingerichtet und voll Funktionsfähig. Sie wurden von speziell ausgebildeten Festungswerkmeistern betreut.